IGM: Genug Substanz, um Jobs zu halten

Presse

12.01.2010 Ulm. Die Bewältigung der Krise erfordert einen langen Atem. Aber die Probleme in der Region können gemeistert werden, sagt Reinhold Riebl.

Der Strukturwandel in der Autoindustrie wird die Region Ulm nicht so hart treffen wie befürchtet, prognostiziert Reinhold Riebl, der Chef der Ulmer IG Metall, im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE. Das Ausmaß könne schon deswegen nicht massiv werden, weil von den 40 000 erfassten Beschäftigten in der regionalen Metall- und Elektroindustrie nur ein geringer Teil bei einem Zulieferbetrieb oder einem betroffenen Maschinenbau- oder Textilunternehmen arbeitet. In diesen Wirtschaftszweigen sind in Ulm und den Landkreisen Alb-Donau und Biberach 4600 Menschen beschäftigt, also 12 Prozent. Riebl: "Das sind viele, aber man braucht deswegen kein Schreckgespenst aufbauen."

Die vielzitierten Experteneinschätzungen, nach denen die Überkapazität der Autoindustrie bei bis zu 50 Prozent liegen soll, teilt der Ulmer Gewerkschafter nicht in dieser pauschalen Form. Nur 20 Prozent der Produktionskapazität seien wirklich zu groß. Die restlichen 30 Prozent seien eine Krisenfolge. Und Prognosen, wonach angesichts der Veränderung der Antriebssysteme - weg vom Verbrennungsmotor hin zur Elektroversion - massenweise Arbeitsplätze verloren gehen, sind nach Riebls Betrachtung ebenfalls mit Vorsicht zu genießen. "Manches fällt weg. Manches wird verändert. Manches kommt hinzu." Sprich: Der technologische Wandel wirkt sich auf die Produktion zwar aus, aber die etablierten Zulieferer sind weiterhin wichtige Zahnräder im Getriebe.

Was wird die nächste Zukunft also bringen? "Noch ein Jahr ohne Vollauslastung", sagt Riebl, aber er ist überzeugt: "Die Situation kann bewältigt werden." Trotz Unterauslastung und Kurzarbeit schreiben seinen Informationen nach viele Betriebe schwarze Zahlen. Die meisten könnten auch nach einem Jahr die Mehrkosten noch tragen. "Die wirtschaftliche Substanz reicht, um die Arbeitsplätze zu halten." Es bedürfe indes eines entsprechenden unternehmerischen Willens.

Nachdem aber bereits 3500 Jobs verloren gingen, indem Leiharbeit und befristete Arbeitsverhältnisse abgebaut wurden, sorgt sich Riebl insbesondere um die übrigen 3000 prekären Stellen in der Region: "Wir haben noch 1800 bis 1900 Leiharbeiter und 1200 Befristete, darunter viele ehemalige Azubis - wenn die arbeitslos würden, ohne Berufserfahrung . . ." Dass diese jungen Arbeitskräfte gehalten werden, sei nicht nur eine Frage der persönlichen Schicksale, sondern eine von gesellschaftlicher Dimension: Ein kollabierender Arbeitsmarkt würde die Krisenbewältigung noch erschweren.

Kurzarbeit ist aus Riebls Sicht nicht bloß sinnvoll zur Bewältigung konjunktureller Dellen, sondern überdies geeignet zur Flankierung der anstehenden Umstrukturierungen. Damit werde Zeit gewonnen, um Lösungen zu finden für die Phase nach der Kurzarbeit. "Die Tarifparteien bemühen sich gerade, eine Anschlussregelung zu finden."

SWP, Autorin: Regina Frank, 11.1.2010

Letzte Änderung: 19.01.2010