Seniorenarbeitskreis in Grafeneck

Senioren

07.05.2010 Bericht zum Besuch der Gedenkstätte Grafeneckam 20.04.2010

Besuch von Grafeneck - Gedenkstätte und Dokumentationszentrum
(Ein Bericht von Elke Ruff)

Seit einem halben Jahr ist im Versammlungsraum im Haus der Gewerkschaften in Ulm ein Gemälde des Künstlers Hans Rentschler ausgestellt. Es trägt den Titel "Triptychon Grafeneck".
Viele Kolleginnen und Kollegen vom Sozialpolitischen Arbeitskreis setzten sich aber lieber mit dem Rücken zu diesem Bild. "Das kann ich nicht lange anschauen, das deprimiert mich einfach", war ihre Begründung. Das Bild zeigt in düsteren Farben stilisierte Verbrennungsöfen. In Grafeneck waren 1940 über Zehntausend behinderte und psychisch kranke Menschen mit Gas ermordet und anschließend im Krematorium auf dem Gelände verbrannt worden.
Wir fühlten uns durch dieses schwarz in schwarze Gemälde aufgefordert, uns mit dem dargestellten Verbrechen zu beschäftigen. So besuchten wir IG Metall Seniorinnen und Senioren am 20. April die Gedenkstätte für die "Euthanasie"-Opfer in Grafeneck.

Schloss Grafeneck zeigte sich uns landschaftlich schön gelegen, hoch über dem Tal und abgeschieden. Wie der Leiter der Gedenkstätte, Thomas Stöckle, uns erklärte, war die Abgeschiedenheit dafür ausschlaggebend, dass das Anwesen mit Kriegsbeginn im Herbst 1939 "für Zwecke des Reichs" beschlagnahmt wurde. Es gehörte bis dahin der evangelischen Samariterstiftung und diente als "Krüppelheim" für 110 behinderte Bewohner und Patienten. Sie mussten ausziehen, Platz machen für den Beginn der sog. T4-Aktion.

Dies war der Beginn der massenhaften Tötung besonders schutzbedürftiger Menschen. Das Vernichtungsprogramm wurde, wie wir wissen, fortgesetzt in vielen Tötungsanstalten und -lagern, dabei immer weiter ausgedehnt auf weitere Personengruppen, die aus politischen, rassischen, ökonomischen Gründen beraubt, gequält und umgebracht wurden.
Thomas Stöckle gebrauchte in seinem überaus spannenden Vortrag dafür den Begriff industrielle Vernichtung, hochgradig arbeitsteilig organisiert.

Als er 1995 mit der Gedenkstättenarbeit in Grafeneck begonnen hatte, war kein Opfer namentlich bekannt. Heute sehen wir Besucher im Namensbuch, dass nicht alle, aber rund 9000 Namen aus der Anonymität geholt werden konnten. Immer noch kommen Verwandte, die selbst nachforschen und weitere Mosaiksteine gegen das Vergessen hinzufügen.

Das Schloss Grafeneck wurde 1946 durch die französische Besatzungsmacht dem rechtmäßigen Eigentümer, der Samariterstiftung, zurückgegeben. Die vertriebenen Bewohner konnten zurückkehren. Seither ist es wieder Unterkunft von Menschen mit Behinderungen.
Es interessierte uns, wer die Täter waren und wie ihre Geschichte weiter verlief, ob sie zur Rechenschaft gezogen werden konnten. In Grafeneck direkt waren 100 Personen für den Tötungsauftrag eingesetzt, Schwestern, Pfleger, Küchenpersonal, Ärzte, Verwaltungsleute, Polizeibeamte, die Fahrer der berüchtigten "grauen Busse".
Die Tötungen dort wurden mit dem 13. Dezember 1940 eingestellt. Bis dahin waren 50 Prozent aller württembergischen Anstaltspatienten tot. Die Täter wurden nun an anderer Stelle gebraucht. Tatsächlich wurden sie zunächst an die Tötungsanstalt Hadamar versetzt. Von da aus in andere Anstalten in Deutschland und in die KZs im Osten.
Im Grafeneckprozess 1948 in Tübingen wurden nur 8 der in Grafeneck Beschäftigten angeklagt. Drei Angeklagte wurden wegen "Beihilfe zum Mord" zu Gefängnisstrafen zwischen 18 Monaten und
5 Jahren verurteilt.
Der ärztliche Direktor von Grafeneck, Dr. Horst Schumann, der später Lagerarzt in Auschwitz wurde, konnte nach dem Krieg bis 1951 praktizieren, wurde enttarnt, floh nach Afrika. Er wurde 1966 ausgeliefert und 1970 in Frankfurt vor Gericht gestellt, aber für verhandlungsunfähig erklärt und nicht verurteilt. Er starb 1983.

Die Aufarbeitung dieser Geschichte ist noch lange nicht abgeschlossen.

Anhänge:

Vor der Gedenkstätte

Vor der Gedenkstätte

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Vor den Tafeln zur Geschichte von Grafeneck

Vor den Tafeln zur Geschichte von Grafeneck

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Letzte Änderung: 07.05.2010